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02. Träume & Luzides Träumen

Die andere Seite: Die Heimlichen

“Wenn ich es dir sage! Ich weiß, was ich gesehen habe!”, erklärte mir Susanne und schaute mich mit großen Augen an. Sie wirkte ganz anders als ich sie in Erinnerung hatte. Ihr Gesicht war kaum gealtert und ihre Figur hervorragend.

Es wirkte, als hätte sie sich um Jahre zurückverwandelt. Als ich sie das letzte Mal gesehen hatte, war sie hochschwanger und hatte etliche Kilo zugenommen. Ich wunderte mich über ihr Aussehen. Sie war auch stets ein optimistischer Mensch gewesen, hat immer gern viel gelacht und mit Vorliebe mit Männern gespielt. Nun wirkte sie ziemlich aufgeregt und irritiert.

“Wo hast du denn diese seltsamen Leute gesehen?”, fragte ich.

“Am Ende der Straße. Dort ist ein Altenheim und da laufen viele alte Leute herum…”

“Das ist zu vermuten”, meinte ich lachend. “Und was haben sie gemacht?”

“Sie… sie treiben dort ein seltsames Spiel! Sie laufen herum, fast wie Zombies. Sie wirken völlig verstört und haben einen total irren Blick! Das musst du dir unbedingt anschauen!”

Noch immer war sie sehr aufgeregt und gestikulierte wild mit den Händen, um ihren Worten noch mehr Ausdruck zu verleihen. Ich konnte mir nicht vorstellen, was das zu bedeuten hatte, aber es selbst zu sehen schafft  wesentlich mehr Aufklärung als bloße Worte.

Sie führte mich zum Altenheim ans Ende der Straße. Die Sonne stand bereits am Horizont. Es dämmerte. Mehr oder weniger schlichen wir um das Haus herum und näherten uns von der Hinterseite. Die Grünanlagen waren sehr gepflegt, fast schon zu aalglatt für meinen Geschmack. An den Außenseiten gab es einige Blumenbeete und immer wieder streckenweise mit Kies aufgefüllt. Schotter auf dem Boden und kurzgeschorener Rasen. Die Hauswände auf der Hinterseite waren mit vielen Fensterfronten ausgestattet. Es war ein Leichtes, in das Heim hineinzuschauen. Dort erblickte ich einige alte Leute, die in einer Art Aufenthaltsraum herumliefen. Sie wirkten in ihren Bewegungen nicht unbedingt von der Zeit gebeutelt, sondern vielmehr abrupt und hölzern.

“Da! Siehst du! Schau mal, wie die gehen! Das ist doch nicht normal!”, flüsterte sie mir zu.

“Na ja”, meinte ich beruhigend, “also das kann auch andere Gründe haben. Vielleicht gab es gerade Medikamente oder es ist ein spezielles Heim…”

Plötzlich öffnete sich eine Tür und mehrere der alten Leute kamen heraus. Sie gingen mit ihren hölzernen Schritten auf uns zu. Sie wirkten überhaupt nicht bedrohlich, aus dem Grund blieben wir auch stehen und wollten sehen, was als nächstes geschieht.

Einer der alten Leute hob einen der großen Kieselsteine auf und ehe wir es richtig registriert hatten, warf er damit nach uns. Der Stein flog an meinem Kopf vorbei und ich konnte so eben ausweichen. Doch schon hatten weitere von ihnen Kieselsteine aufgehoben und warfen sie recht unbeholfen nach uns. Sie hatten nicht einmal gezielt oder sich die Mühe gemacht, richtig auszuholen, aber die Steine flogen schon in unsere Richtung. Die Steine waren jedoch nicht das Problem, sondern ihre Augen! Sie wirkten starr, als würden sie ferngesteuert und ihre Ausstrahlung kam uns nicht mehr menschlich vor. Irgendwas muss mit ihnen geschehen sein…

Wir sahen nun zu, dass wir hier fortkamen. Als wir in Sicherheit waren, sprachen wir über diesen Vorfall.

“Hast du ihre Augen gesehen?”, rief Susanne ganz aufgeregt!

“Die waren nicht zu übersehen! Sie wirkten wirklich sehr… unmenschlich. Als würden sie von einer fremden Kraft ferngesteuert.”

“Ich sag es dir! Das sind Außerirdische!”

Das konnte ich mir nicht vorstellen, aber ich wollte dieser Sache nun auf den Grund gehen: “Wenn es dunkel ist, gehen wir wieder hin!”

Sie nickte und war einverstanden. Die Neugier hatte die Angst besiegt. Es war ein kleines Abenteuer und es wartete dort am Ende der Straße auf uns.

Als wir erneut vor dem Heim standen, konnten wir keine der alten Leute entdecken. Wir liefen einige Male um das Haus herum, aber niemand war zu sehen. Kurze Zeit später verließen wir die Straße, denn in der Nähe war uns ein helles Licht aufgefallen. Es wirkte wie das Licht einer starken Laterne.

“Was ist dort hinten?”, fragte ich.

“Dort ist ein Tunnel. Früher fuhr dort ein Zug lang, aber diese Strecke wird nicht mehr genutzt. Vielleicht sind die alten Leute dort!”

“Was könnten sie denn dort nur wollen? Und wer weiß, wie lange sie für solch eine Strecke brauchen würden!”

Einige Minuten später standen wir vor dem Tunnel. Dort bot sich uns ein höchst irritierendes Bild! Der Tunnel war von einer großen Lampe ausgeleuchtet worden und am Ende befand sich eine große Maschine. Anders konnte ich es nicht beschreiben. Sie sah sehr befremdlich und unbekannt aus, aber dennoch wirkte sie wie eine Maschine. Um dieses Gerät liefen gewiss zwanzig der alten Leute herum und buddelten in der Erde herum oder fegten den Tunnelgang aus, schafften Steine zur Seite und ähnliches.

Diesem seltsamen Bild fügte sich ein unheimlicher Ton hinzu. Er kam von der Maschine. Es war ein pulsierender Ton, leicht metallisch und schwingend. Sehr langgezogen und dumpf.

“Weißt du, was das ist?”, fragte Susanne gerade heraus.

“Irgendeine seltsame Maschine, würde ich sagen! Und die alten Leute machen sauber…”

“Das ist eine Maschine, um ihre Freunde zu rufen! Die holen Verstärkung!”

Irgendwie klang es verrückt, was sie mir sagte, doch es schien zusammen zu passen. Die unbekannte und recht unirdische Maschine sandte diesen gleichförmigen Ton aus und die Alten räumten dabei in ihrem hölzernen Tanz für ihre Freunde auf, die sich vielleicht jeden Moment in diesem verborgenen Tunnel materialisieren konnten! Die unmittelbare Bedrohung lag schwer in der Luft.

Plötzlich entdeckte uns einer der alten Leute. Er zeigte auf uns und die anderen wurden aufmerksam! Mit schlurfenden Schritten kamen sie auf uns zu. Sie waren nicht schnell genug, aber sie kamen auch plötzlich aus einem Gebüsch heraus, das wir übersehen hatten. Wir liefen so schnell wir konnten erst einmal los, doch der Rückweg war uns versperrt. Wir fanden einen Hinterhof, in den wir hineinlaufen konnten. Ich musste urplötzlich an so manchen Film denken, in denen der Gejagte in einen solchen Hof lief und plötzlich vor einer hohen Mauer stand.

Wie nicht anders zu erwarten war, standen wir nun wirklich vor einer solchen hohen Mauer. Und während wir in dieser Notsituation nicht weiter wussten, blitzte ein Bewusstseinsfunken in unseren Köpfen auf… Wir leuchteten am ganzen Körper und schwebten leicht über den Boden. Völlig überrascht aber gleichzeitig erfreut, schwebten wir die Mauer entlang nach oben und legten uns auf eine Feuertreppe, die wir dort vorfanden.

“Pssst!”, meinte sie zu mir. “Wir dürfen jetzt keine Geräusche machen…”

Und so verharrten wir nahezu aufeinanderliegend auf dieser schmalen Feuertreppe und bangten, dass sie uns nicht bemerkten. Denn würden sie uns hier finden, könnten wir nicht mehr fliehen…

Die Stille brach ein und wir hörten keine schlurfenden Schritte mehr. Während wir so eng beieinander lagen und sich unsere Nasen nahezu berührten, blickten wir uns in dieser Situation an und fragten uns, ob es nun an der Zeit war, das Versteck zu verlassen…

Plötzlich schoss eine Art Seil oder Wurzel aus dem Nichts vom Boden hoch und ergriff Susannes Bein! Mit einem unliebsamen Ruck wurde sie von mir heruntergerissen und nach unten gezogen. Sie schrie für einen kurzen Moment laut auf. Noch bevor ich nach ihr greifen konnte, war sie nicht mehr zu sehen und ihr Schrei verebbte in der Dunkelheit.

Ich richtete mich auf, um ihr Leuchten zu sehen. Für einen Moment glaubte ich, ihr silbernes Leuchten zu sehen, aber dann verschwand der Eindruck wieder. Ich sprang von der Feuertreppe nach unten auf den Boden und nahm mir vor, sie auf jeden Fall zu suchen und zu befreien.

So rannte ich zurück zu dem Tunnel… Niemand war mehr zu sehen, außer der Maschine, die noch immer monoton vor sich hinfunkte. Langsam ging ich auf die Maschine zu. Sie wirkte gläsern auf mich. Teilweise konnte ich durch sie hindurchschauen. Das Scheinwerferlicht verlieh ihr ein unheimliches Leuchten in diesem Tunnelgang. Am Boden entdeckte ich sogar einige Kristalle, die vermutlich jemand dort hingeworfen hatte. Es war eine seltsame Atmosphäre, in diesem Moment vor dieser Maschine zu stehen und ihren dumpfen Ton zu vernehmen…

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