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Traumnacht: Gravitation und misslungene Realitätswechsel

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In der heutigen Nacht saß ich mit einer jungen Frau und einem älteren Mann in einer Gaststätte. Irgendwie war das Lokal ziemlich rustikal eingerichtet und es befanden sich nur wenige Besucher dort. Vor den Füßen der beiden saß ein kleiner, schwarz-weißer Terrier, dessen Musterung glatt an die einer Kuh erinnerte. Der ältere Mann stand nach einiger Zeit auf und verließ das Lokal mit einem kurzen Abschiedsgruß. Ich unterhielt mich weiter mit der Frau und dabei stellte sich heraus, dass sie das große Glück besaß, in dieser Woche mit diesem berühmten Mann auf Schatzsuche in den Pyrenäen zu gehen. Mir war überhaupt nicht bewusst gewesen, wer dieser Mann gewesen war, aber sie lobte mit ihn mit den besten Worten und erzählte von seinen bisherigen Errungenschaften und Abenteuern. Sie erklärte mir, dass sie lange gesucht hatten, um diesen einen Hund zu finden, der ihnen bei der Suche nach dem Schatz große Dienste leisten würde. Mir war nicht ganz deutlich, warum und wie der Hund dabei helfen könnte, aber sie schien sehr überzeugt zu sein. Ich wäre gern mitgekommen, erklärte ich, aber sie winkte ab und meinte, dass ihr Chef das sicherlich nicht dulden würde.

Meine Bewusstheit in diesem Traum war zwar mit einer guten klaren Wahrnehmung beschert, aber ich war mir keineswegs der Tatsache bewusst, dass ich mich hier in einem Traum befand. Ich hielt die ganze Umgebung für meine gewohnte Alltagsrealität.

Irgendwann sprang der Hund auf und rannte in der Gaststätte herum. Er lief unter die Holztische, um die Beine der wenigen Besucher herum, wedelte eifrig mit seinem Schwanz und hechelte jeden an. Dann verließ er den Raum und verschwand in einer Tür, die gerade vom Wirt geöffnet wurde.

“Ach, jetzt ist der Hund ausgebüchst”, meinte die Frau.

“Keine Sorge, ich schau mal, wo er geblieben ist”, meinte ich und lief dem Hund hinterher.

Im Nebenraum angekommen entdeckte ich den Hund auf der Kellertreppe, die vermutlich hinunter in den Weinkeller führte. Dann sah ich, wie er in einer Falltür verschwand. Ich lief zu dieser Falltür und konnte sehen, dass er nun darin saß und nicht mehr herauskam. Gerade, als ich ihm helfen wollte, setzte mein Kritikbewusstsein ein. Ich hinterfragte die Situation und wurde luzide.

Sofort wechselte die Szene und ich befand mich nun draußen. Es war Tag und ich lief eine Straße entlang. Trotz dieses abrupten Wechsels wusste ich noch immer, dass ich träumte. Doch schwankte die Luzidität ein wenig. Ich nahm meine Hände hoch, hielt sie mir vor das Gesicht und betrachtete sie. Ich versuchte, meine Handflächen schärfer und genauer zu sehen, damit sich mein Fokus stabilisierte und der Traum noch klarer und deutlicher werden konnte.

Dabei fiel mir plötzlich eine Textpassage ein, die ich mal in einem Buch gelesen hatte. Leider erinnere ich mich weder an den Autor noch an den Titel des Buches. Jedenfalls in diesem erklärte ein Mann, der seit einigen Jahren das luzide Träumen praktizierte, von einem erschreckenden Erlebnis, in dem er innerhalb eines Traumes dermaßen klar wurde, sein Fokus überdimensional stabil und die ganze Realität richtig fest wurde, dass er tatsächlich keinen Unterschied mehr zum Alltag finden konnte. Eine solche Klarheit, so beschrieb er, hatte er noch nie erfahren und überstieg sogar die Qualität eines High-Level-Klartraums. Er bekam dermaßen Angst vor dieser Situation, dass er geschockt darüber war, dass er die Gravitation richtig deutlich in dieser Traumwelt spüren konnte, selbst die Fußsohlen konnte er spüren, wie sie am Boden klebten, ganz so wie im Alltag. Dies war ihm während seiner vielen luziden Traumerfahrungen noch nicht in diesem Ausmaß untergekommen und er fürchtete, aus diesem Traum nie wieder erwachen zu können und für immer dort bleiben zu müssen. Schnell konzentrierte er sich darauf, in seinem Bett aufzuwachen – was ihm auch gelang.

Während ich weiterhin meinen Fokus zu stabilisieren versuchte, fiel mir eine vergleichbare Erfahrung von mir ein, die ich im Alltag während einer Unterhaltung mit einer Freundin erfahren hatte. Wir saßen gerade am Tisch meines alten Appartements auf Stühlen. In diesem Gespräch erlebte ich plötzlich und aus heiterem Himmel eine absolute Tiefenentspannung, die so stark war, dass ich meinen kompletten Körper nicht mehr fühlen konnte. Das Einzige, was ich noch fühlen konnte, waren meine Fußsohlen, wie sie auf dem Boden standen. Alles andere war ausgeblendet, kein Gewicht mehr, keine Gravitation, und mein Körper schien nicht mehr zu existieren. Ich war sicher, dass ich jeden Moment meinen Körper verlassen und im Raum umherschweben würde. Irgendwie scheiterte dies jedoch am Kontakt meiner Füße zum Boden.

Während ich diese beiden Erlebnisse miteinander verknüpfte, konzentrierte ich mich nun nicht mehr auf meine Hände, sondern auf meine Fußsohlen! Wenn Gravitation und die Verbindung zwischen Boden und Füßen so ausschlaggebend für die Realität sind, die man als seinen Alltag erkoren hat, dann müsste dieser Effekt doch umzudrehen sein! Daher versuchte ich nun, das Gefühl der Gravitation zu empfinden und den Kontakt zwischen Boden und Füßen zu verstärken. Bei jedem Schritt, den ich unternahm, trat ich ausgesprochen bewusst und intensiv auf den Boden auf. Immer mehr fühlte ich den Boden unter den Füßen und war entschlossen, an der Stelle weiter zu machen, an der der Mann aus dem Buch aufgehört hatte. In dem Augenblick besaß ich keine Angst, für immer dort bleiben zu müssen oder in den Traumwelten verloren zu gehen. Für mich würde dies ein weiterer Realitätswechsel sein, nur eben nicht über die Dissoziation, sondern über einen luziden Traum. Dummerweise konnte ich nicht aus eigener Erfahrung sprechen, dass man über einen luziden Traum tatsächlich die Realität wechseln konnte, aber rein theoretisch musste es möglich sein.

Was würde mit meinem Körper geschehen, der noch in meinem Bett lag und schlief? Würde ich für die Menschen in meiner Alltagswelt ins Koma gefallen sein? Oder  würde es mich einfach nicht mehr geben, denn ich hatte ja die Realität gewechselt? Vielleicht würde sich ja mein Körper auflösen und sich hier in der neuen Realität wieder mit mir verschmelzen? Oder würde mein Alltagsselbst einfach wieder am anderen Morgen erwachen und weiter sein Leben leben, nur, dass ich nicht mehr an ihm angeschlossen war? Wer hatte es denn bereits gewagt, diesen mutigen Schritt zu unternehmen und sich auf einen totalen Wechsel einzulassen? Die meisten luziden Träumer besaßen sicherlich eine Familie, für die sie sich verantwortlich fühlten oder sie hatten noch Pläne, die sie nicht einfach so aufgeben wollten, folglich würden sie einem Wechsel niemals zustimmen und sobald ein solcher sich ankündigte, dann würden sie automatisch den Vorgang abbrechen und wieder in ihrem Bett zu sich kommen.

Welchen Zusammenhang gab es zwischen Gravitation und Realitäts- bzw. Fokusstabilität innerhalb einer gegebenen Erlebniswelt? Die Gravitation galt von je her als einer der großen Rätsel der Physik. Ihre Quelle ist noch immer nicht bestimmt worden. Die einen gehen davon aus, dass die Gravitation durch die Sonne entsteht, andere glauben, es habe mit der Erdrotation und der Umkreisung der Sonne zu tun, wieder andere sind der Meinung, dass im Erdinnern ein Gravitationsring existiert, der die Menschen am Boden hält. Doch wer zog eine Verbindung zwischen Gravitation und der Selbstverankerung innerhalb einer Realität? “Mit beiden Füßen fest im Leben stehen”, sagt man gern. “Bodenständig sein” oder “standhaft sein”. All diese Begriffe sind Hinweise, die widerspiegeln sollen, wie stark man seine Aufmerksamkeit (Fokus) im Alltagsleben verankert hat. Was würde also geschehen, wenn man diese “Bodenständigkeit” innerhalb eines luziden Traumes herstellen könnte?

Wie auch immer, leider gelang es mir nicht, meinen Fokus so stark in der Traumrealität zu fixieren, dass ich Stunden, Tage, Wochen, Monate oder Jahre dort geblieben wäre. Wie gewohnt, fand ich mich in der vertrauten Dunkelheit meines Schlafzimmers wieder. Der Realitätswechsel hatte also nicht funktioniert, aber falls ich mich bei meiner nächsten luziden Traumerfahrung wieder an dieses Vorhaben erinnern werde, sprich, einen weiteren Versuch zu starten, werde ich weiter testen, ob etwas an dieser Vermutung dran ist, dass Gravitation und Realitätsverankerung zusammenhängen.

Als ich am Morgen das Haus verließ, begegnete ich der Nachbarin. Ihr kleiner Hund stand neben ihr und schaute mich mit aufrechtstehenden Ohren an. Da erkannte ich, dass ihr Hund eine verblüffende Ähnlichkeit mit dem Terrier aus dem Traum besaß.

 

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