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Suche nach Erleuchtung: Die Grenze (Teil 6)

Suche nach Erleuchtung

Kaum schaffe ich es, meine Aufmerksamkeit von meiner gewohnten, physischen Realität zu lösen, landete ich wieder in den Wahrscheinlichkeitsfraktalen. Wenige Sekunden später war ich in neuer Frische wieder bei dem alten Mann. Wir saßen mal wieder am Feuer und schwiegen uns an. Erst als er zu fühlen schien, dass ich angekommen war, begannen wir unser Gespräch fortzusetzen. Dabei schaute ich in seine Augen und sie kamen mir irgendwie bekannt vor. Waren dies etwa meine eigenen Augen? Ich fragte mich, ob er vielleicht mein zukünftiges Selbst sein könnte oder mein indianisches Selbst, das ich einmal in einem anderen Leben gewesen bin. Ich war mir nicht sicher, aber eine gewisse Verwandtschaft war hier nicht auszuschließen…

Er hatte mich auch nie gefragt, was ich beispielsweise gerade denke oder wie ich mich fühle. Er schien es immer automatisch zu wissen. Darum konnte er schon ab und zu ein Thema aufgreifen, das mich gerade gedanklich beschäftigte. Doch in unseren momentanen Treffen war es nicht schwer, meine Gedanken zu erraten. Es ging, wie immer, um das Erreichen einer großen Erkenntnis oder Erleuchtung, wie immer man es bezeichnen möchte.

“Das letzte Mal bist du durch das Labyrinth gejagt und hast erkannt, dass es scheinbar aus einer einzigen Quelle heraus erschaffen wurde. Es ist ein gewaltiger Komplex aus Millionen von alternativen Realitäten, in denen die Menschen leben. Sie identifizieren sich mit ihren Leben und es gelingt ihnen nicht eine Sekunde, sich davon vorübergehend zu distanzieren, um sich selbst zu erkennen. Sie laufen weiter wie Uhrwerke. Dieses Mal möchte ich, dass du dir die Grenze noch mal genauer anschaust.”

“Meinst du die Mauer, wohinter ich gelangen soll und wo nur so wenige Menschen waren?”

“Nein, das wäre für dich zu viel verlangt. Ich möchte nur, dass du dir die Grenze des Labyrinths anschaust. Versuche sie zu finden und zu erkennen, wie die Welten aufgebaut sind”, meinte der alte Mann.

“Kann ich einfach so losrasen und zur Grenze finden, von der du sprichst?”

“Du bist in diesem Labyrinth schon sehr viel herumgekommen. Dein Alltagsselbst ist in den vielen Jahren deiner Auseinandersetzung mit deinem Bewusstsein schon so fortgeschritten, dass es oft nur einen kleinen Anstoß braucht, damit du solche Erfahrungen machen kannst. Es liegt schon immer an einem selbst, wie weit man springen kann, wenn man sich überhaupt mal zum Springen bewegt.”

Ich verstand genau was er meinte. Es gab Momente, da brauchte ich nur einen Joint zu riechen und dies veränderte schon mein Bewusstsein oder etwas Unvorhergesehenes geschah und es öffnete meine inneren Sinne und ich konnte kurzfristig Dinge wahrnehmen, die niemand anders wahrnehmen konnte.

“Du bist eben ein Mensch”, fuhr er fort, “der immer einen kleinen Anstoß benötigt.”

Ich nickte und konnte ihm aufgrund meiner Erinnerungen nur Recht geben.

Dann erhob ich mich in die Luft und wenige Augenblicke später raste ich wieder durch die Fraktale. Irgendwie schien es mir so, als würde mich etwas steuern. Etwas, das ich nicht wahrnehmen konnte. Eine unsichtbare, sanfte Instanz, die mich ganz leicht, fast unmerkbar in die richtige Richtung schob, doch ohne irgendwie etwas zu verlangen oder zu erwarten. Ich glaubte, dass ich dieses Mal ein wenig geführt wurde, um das Ziel zu finden.

Wenige Momente später gelang es mir für einen Augenblick das ganze Labyrinth zu überblicken. Es war tatsächlich ein unglaublicher Komplex, diffus, unendlich und unüberschaubar. Wer immer es erschaffen hatte, der hatte einfach Freude daran, es zu erschaffen. Welche Gründe es dafür gegeben haben mag, das war mir jetzt nicht offensichtlich. Doch jenseits des Labyrinths, in weiter Ferne, erblickte ich eine Realität, die irgendwie ebenso diffus über dem Labyrinth zu liegen schien. Vielleicht war sie auch Teil des Labyrinthes, ich konnte es einfach nicht mit Bestimmtheit sagen. Meine Wahrnehmung besaß Schwierigkeiten, es irgendwie zuzuordnen. Jedenfalls konnte ich nicht in diese andere Realität blicken. Sie wirkte wie hermetisch abgeriegelt oder für sich allein existent. Es sind nicht die richtigen Worte, die ich hier zu finden versuche, aber eines war offensichtlich, was ich hier registrierte: Die Realitäten waren voneinander getrennt und nur wer den ersten Level löste, der konnte aufsteigen. Beide Realitäten schienen jedoch durch eine Art Barriere getrennt und nichts sickerte von einer zur anderen durch. Ich versuchte mit meinen inneren Sinnen diese andere Realität zu erspüren und sie zu erfassen, aber das war mir nicht möglich. Ich fühlte eindeutig, dass ich keinen Zugang besaß. Es war mir unmöglich, dort einzutreten.

Kurz darauf kehrte ich wieder zu dem alten Mann zurück.

“Ich glaube, ich war an dieser Grenze. Irgendwie bin ich völlig verunsichert, ob das nun mit dieser Mauer zu tun hat, die ich einmal wahrnahm, oder ob es ein neues Element ist, dem ich nun begegnet bin.”

“Das wirst du bald erfahren”, sagte er von sich überzeugt. “Jedenfalls hast du jetzt diese andere Realität wahrgenommen. Sie ist nicht wirklich abgeriegelt, die Übergänge sind fließend, aber dennoch kann man sie nur betreten, wenn man bestimmte Rätsel in der Alltagswelt und in dem Labyrinth gelöst hat.”

“Ist die ganze Alltagswelt ein riesiges Rätsel für dich?”, fragte ich ihn.

“In gewisser Weise schon. Richtiges Verhalten bewegt euch ein Stück nach vorn. Die richtigen Erkenntnisse, und seien sie noch so klein, bringen euch voran. Das klingt für einen Menschen wie dich verwirrend, der die Zeit als Kontinuität zu hinterfragen weiß, aber so wurschtelt ihr euch alle durchs Leben. Das hast du zur Genüge gesehen.”

Da hatte der durchaus Recht.

Er fuhr fort: “Du kannst in diese andere Realität nur hinein, wenn du eine bestimmte Sache erledigt hast. Solche Realitäten wirst du irgendwann noch häufiger vorfinden. Sie sind weiterführend, wenn man es so betrachten will, aufeinander aufgebaut und doch wieder nicht.”

Ich konnte es ihm deutlich nachfühlen, was er mir gerade zu vermitteln versuchte. Kurz darauf kehrte ich wieder zurück in mein Bett.

Interessanterweise habe ich mir heute passenderweise und willkürlich die Romanverfilmung “In meinem Himmel” angeschaut. Ich wusste nicht, worauf ich mich bei diesem Film einließ und war umso überraschter von dem Thema. Dort war ebenfalls eine andere Realität, eine Art Zwischenwelt, thematisiert worden, die die Hauptdarstellerin nicht verlassen konnte, weil sie ihr physisches Leben und ihre Angehörigen nicht loslassen wollte. Sie versuchte krampfhaft zwischen den Welten hin- und herzureisen. Natürlich war ihre Intention eine andere als meine, aber für mich war es interessant mal wieder zu sehen, dass die Gedanken, die mich beschäftigen, sich auch im Alltag irgendwie widerspiegeln können. Übrigens ein empfehlenswerter Film mit Liebe gemacht.

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