Suche nach Erleuchtung: Die Quelle (Teil 40)
Wie ich erkennen durfte, hatten er und sein Schüler bzw. Padawan es mittlerweile geschafft, die Felsenlandschaft hinter sich zu lassen. Sie waren ein erhebliches Stück vorangekommen. Ich blickte mich um und schaute noch einmal zurück. Die hohen Felsformationen wirkten nun lange nicht mehr so imposant. Vereinzelte Bäume verdeckten sie bereits. Der Boden war jedoch stellenweise noch immer mit Felsen durchsetzt.
Mit einem Nicken begrüßten die beiden mich, als ich zu ihnen stieß.
“Lasst uns ein wenig ausruhen. Immerhin sind wir alle ein großes Stück gereist…”, meinte der alte Mann und wir lachten.
Der Padawan, dessen Namen ich noch immer nicht kannte, war ein schlacksiger Typ. Er hatte einen frechen Blick, wirkte aber völlig harmlos und auffallend zurückhaltend. Ich wusste auch nicht, auf welcher Stufe er sich auf seiner Entwicklung befand. Doch war er mir ganz sympathisch, selbst wenn sich unsere Blicke eigentlich nie trafen.
Der alte Mann räusperte sich und ergriff das Wort:
“Nun bist du schon viele Male bei mir gewesen, doch was deine Suche nach Erkenntnis bzw. nach der großen Erleuchtung betrifft, bist du noch immer nicht so weit gekommen, wie ich es mir eigentlich wünschte. Wenn man es genau nimmt, haben genau aus diesem Grunde unsere Begegnungen begonnen. Darum würde ich sagen, ist es mal wieder an der Zeit, dass du dich dem erneut stellst. Wir möchten ja nicht, dass deine Suche in Vergessenheit gerät.”
Sein Padawan nickte eifrig zu den Worten des alten Mannes, was irgendwie belustigend auf mich wirkte. Es war eine groteske Situation. Ich befand mich hier in irgendeiner fernen Realität und unterhielt mich mit einem alten Mann uns seinem Schüler, dessen Namen ich nicht einmal kannte. Kurze Augenblicke später fiel mir erst einmal auf, dass ich gar nicht allein gekommen war. Mein Padawan, ein vielleicht acht- bis zehnjähriges Mädchen, war ebenfalls gekommen. Sie saß vermutlich schon von Anfang an neben mir. Als ich sie anschaute, lächelte sie und verdrehte leicht die Augen. Scheinbar hatte sie aufgefangen, dass ich sie überhaupt nicht bemerkt hatte.
“Und was empfiehlst du mir zu tun?”, fragte ich.
“Dein Padawan besitzt sehr starke Kräfte. Dies spürt ein jeder, der mit ihr zu tun hat. Es ist nicht so wie bei uns, die diese Kräfte hervorragend verbergen können, sogar so sehr, dass man uns drei hier auch für Narren aus dem Zirkus halten könnte…”, meinte der alte Mann uns zeigte auf uns Männer. “Wir sind Meister der Tarnung. Wir können jedem normalen Menschen jedwede Realität vorgaukeln, insbesondere dann, wenn diese glauben, sie hätten irgendwas durchschaut. Es geht nur darum, sie mit unserem Wissen zu infiltrieren, damit das Bewusstsein der Menschen erweitert wird.”
Bei diesen Worten nickte sein Padawan wieder sehr bedächtig, als wenn ihm dies alles völlig bewusst wäre. Im nächsten Moment stand sein Padawan langsam auf und schritt wie ein Lehrer in einer Klasse auf und ab. Dabei nickte er weiterhin so bedächtig und hob manchmal sogar mahnend den Zeigefinger. Da der alte Mann etwas weiter vorne saß, wusste ich nicht mit Sicherheit zu bestimmen, ob er bemerkt hatte, was sein Padawan hinter seinem Rücken trieb. Indes fuhr der alte Mann fort:
“Was ich dir sagen möchte. Nimm deinen Padawan und gehe mit ihr zusammen in die Fraktale. Doch bedenke, in ihrer Gegenwart kann es auch zu Zeitverzerrungen kommen. Wir möchten ja nicht, dass du den Eindruck gewinnst, wir würden nicht an dich denken!”
Wieder lachten wir. Der alte Mann schien heute sehr beschwingt zu sein.
“Und denke daran, es geht nur um die Erleuchtung”, fügte er noch hinzu.
“Ist die Erleuchtung mit der von den Yogis und so zu vergleichen?”, meinte das Mädchen.
“Ich kann nicht sagen, zu welchen Erleuchtungen eure Gurus und Yogis gekommen sind, aber die, von der wir hier sprechen, ist eine sehr große Erleuchtung. Sie befähigt den Menschen, der sie macht, die Welt und vor allem sich selbst so zu sehen, wie es sich tatsächlich verhält. Mit ihr kann man sich alles erklären, ein jedes Motiv eines beliebigen Menschen. Sie vereint eine unzählige Anzahl loser Gedankenketten und ebenso nimmt es einem eine riesige Last von den Schultern, da eine unwahrscheinlich große Energie auf eure normale Art zu leben verwendet wird. Doch jedes einzelne Wort, das ich zu der Erleuchtung, oder nenne sie Erkenntnis, wenn dir das angenehmer ist, sage, vermindert sie nur in ihrem Wert und ihrer unglaublichen Kraft und Energie, die sich dahinter verbirgt. Es ist einfach unbeschreiblich, was diese Erleuchtung für einen Einfluss auf einen Menschen hat, der sie erfährt. Sie wird seine ganze Persönlichkeit umkrempeln und einen anderen Menschen aus ihm machen.”
“Wird man danach beschließen, diese Welt zu verlassen?”, fragte das Mädchen weiter.
“Vielleicht. Das bleibt jedem selbst überlassen. Doch was auch immer daraufhin geschehen wird, es ist einfach unglaublich. Es wird ein Moment sein, der sich dem, der sie erfährt, auf ewig einbrennen wird. Es ist mit Worten einfach nicht zu beschreiben! Eines Tages wirst auch du an diesen Punkt kommen.”
“Dann danke ich dir für deine Worte…”, entgegnete ich seinen Worten und nahm meinen Padawan an die Hand.
Für einen kurzen Augenblick sah ich noch die grinsenden Gesichter des alten Mannes und seines Padawans, als das Mädchen und ich in die Wahrscheinlichkeitsfraktale eintauchten.
Nun lag es an mir, an dem Punkt weiterzumachen, an dem ich das letzte Mal aufgehört hatte, als ich nach der Erleuchtung gesucht hatte. Ich erinnerte mich noch gut! Kurz darauf erblickte ich auch schon die unzähligen alternativen Realitäten, in denen ich das letzte Mal all die Menschen gesehen hatte, die mir begegnet waren und sicherlich auch jene, die mir noch nie begegnet sind. Plötzlich gab es eine befremdliche Verzerrung in meinem Bewusstsein. Die Realitäten um mich her veränderten sich völlig unberechenbar. Ich konnte für einen Moment nicht mehr sagen, wo ich mich befand. Wenige Sekunden später befanden wir uns in einer festen Realität.
“Was ist passiert? Wo sind wir?”, fragte mich das Mädchen.
Ich schaute mich um. Wir befanden uns in einer Art Büro. Ein alter Schreibtisch stand dort, ein seltsamer Holzstuhl davor, viele Papierstapel… Selbst die Vorhänge wirkten sehr unmodern, um es so zu formulieren. Aufgrund der Gegenstände und des nahezu antiken Schreibtisches, der aussah, als wäre er gerade eben gekauft worden, glaubte ich zu wissen, wo wir uns befanden.
“Wir sind vermutlich in den 60er Jahren gelandet! Ich denke, du hast unsere Reise in die Fraktale mit einer Zeitverzerrung beglückt.”
Sie schaute mich erschrocken an: “Kommen wir hier wieder weg?”
“Natürlich. Ich frage mich nur, warum wir hier gelandet sind. Es muss dafür eine Erklärung geben.”
Ich machte einige Schritte auf den Schreibtisch zu. Es mussten ungefähr die 60er Jahre gewesen sein. Die ganze Büroeinrichtung wirkte auf mich entsprechend.
“Deine Kräfte sind erstaunlich”, meinte ich. “Während die alternativen Realitäten auf der gleichen Zeitspur liegen wie unsere Gegenwart, hast du mit deinen Kräften unterbewusst eine Verzerrung aktiviert, die uns auf eine Spur gebracht hat, die in die Vergangenheit führte. Die Zeitspuren sind wie ein sechszackiger, dreidimensionaler Stern angeordnet. Du hast einen Strahl, der nach vorn und nach hinten reicht, nach oben und unten, nach links und rechts und in vier Nebenrichtungen. Wenn ich in den Fraktalen bin, orientiere ich mich meistens an den Strahlen, die nach links und rechts von mir verlaufen. Jemand, der in seinem Alltag ein normales Leben führt, konzentriert sich ausschließlich auf die Zeitspur vor ihm, die in die Zukunft zeigt, und auf jenen hinter sich, der die Vergangenheit betrifft. Du bist mir in die Fraktale gefolgt und somit auch auf die Zeitspur links und rechts von mir, aber du hast eine dieser Spuren verzerrt und nun befinden wir uns in einer alternativen Vergangenheit in den 60er Jahren.”
“Das war ich?”, meinte sie verunsichert.
“Allerdings. Es scheint eine bestimmte Wirkung zu haben, mit wem man in die Fraktale eintritt. Kein Wunder, dass der alte Mann vorgeschlagen hatte, dich mitzunehmen. Es muss ihm klar gewesen sein, dass du einen solchen Effekt ausüben könntest.”
Plötzlich verschwand die Umgebung vor meinen Augen und ich war wieder in den Fraktalen. Dort knüpfte ich genau an der Stelle an, an der ich zuvor aufgehört hatte. Ich erblickte also all die Menschen um mich her und in den vielen Realitäten, die sich vor mir offenbarten. Wieder einmal durfte ich ganz klar ihre Motive erkennen, aber ich erblickte einfach nicht das Motiv aller Motive, das Master-Control-Programm, wenn man so wollte. Es ist überaus schwer zu beschreiben, was ich in diesen Momenten wahrnahm. Dies beeindruckt mich immer wieder maßlos, diese Realitäten zu sehen und die Bestrebungen eines jeden Menschen, auch wenn es ihm meistens nicht bewusst ist, in welche Richtung er blickt und was ihn unaufhaltsam antreibt. Ich erblickte auch wieder einige wenige unter ihnen, die ihre Rollen, die sie dauernd im Alltag spielen, überwunden und erkannt hatten. Sie hatten sich daraufhin Lehrern zugewendet, um in alter griechischer Manier unterrichtet zu werden.
Nun erkannte ich die vielen Jonathane, wie sie in ihren Realität lebten. Und diese ganze Szenerie spitzte sich immer mehr zu. Die große Erkenntnis bahnte sich immer mehr und mehr an. Ich fühlte, wie sie sich richtig zu formieren und auszurichten begann. Sie war plötzlich so nah wie niemals zuvor! Ihre Ausstrahlung war dermaßen stark, dass sie mein ganzes Bewusstsein auf einen einzelnen, konzentrierten Punkt zusammendrückte. Gleichzeitig jagten die vielen Interpretationen durch meinen Kopf, die ich jahrelang angesammelt und erörtert hatte. Doch keine von ihnen konnte annähernd erfassen, was sich mir da näherte. Es war erdrückend, da es mich auf einen winzigen Punkt zusammenstauchte, aber gleichzeitig spürte ich dahinter die unglaubliche Freiheit, die sie mit sich brachte. Über wie viele Stufen auf dem Weg zur Bewusstseinserweiterung würde mich diese Erkenntnis hinauskatapultieren?
Längst war mein Padawan verschwunden. Ich konnte nicht mehr sagen, wo er nun abgeblieben war. Ich fühlte jedoch, dass er vermutlich nach Hause in sein Bett zurückgekehrt war. Doch ene Gedanken um das Mädchen waren ebenso schnell wieder verschwunden, wie sie aufgekommen waren. Immerhin drohte die große Erkenntnis in meinem Kopf zu explodieren. Was würde sie aus mir machen? Was würde sich ändern? Welche Auswirkungen würde sie haben? Wer würde ich danach sein? Ich musste die Quelle finden! Ich musste jetzt einfach den Punkt finden, auf den es bei der ganzen Sache ankam! So wünschte ich mir, unbedingt an den Punkt gebracht zu werden, der mir ermöglichte, die Erkenntnis zu erlangen! Die Quelle oder die Instanz, die den Auslöser zu der großen Kettenreaktion darstellte… Und mein Bewusstsein verengte sich immer mehr und mehr… Ich wurde immer winziger und ich erwartete mit jedem Moment die große Explosion oder zumindest, dass sich mir der Dreh- und Angelpunkt des Ganzen offenbarte… Und dann öffnete sich mein Bewusstsein wieder, wie eine Blume, und ich sah endlich die Realität, in der sich alles konzentrierte und die der Schlüsselpunkt des Ganzen war…
Ich kam in meinem Bett wieder zu mir. Diese Lernerfahrung sollte mir noch einmal deutlich machen, dass der Dreh- und Angelpunkt der Erkenntnis bzw. der Auslöser für das Erreichen derselben von meinem Alltagsselbst ausgeht. Aus dem Grunde wurde mein Bewusstsein so verengt, dass es sich letzten Endes in meinem Alltagsselbst zentrierte. Es war ein höchst ernüchternder Moment, aber der alte Mann hatte Recht behalten! Die Erkenntnis selbst ist mit einem Fingerschnippen zu erreichen, es kommt dabei nur auf uns selbst an und ob wir es wirklich wollen. Ein Teil in mir fühlte sich schon ein wenig auf den Arm genommen, aber ein anderer wusste auch, dass ich genau in der richtigen Realität steckte, in der es möglich war, an diese große Erkenntnis heranzukommen. Es war eben meine Quelle und Crux.
Siehe auch:
“Reisen jenseits der Matrix” ist das Buch, indem Du viele solcher Erfahrungen des Matrixbloggers nachlesen kannst.
2 Comments
Peter
Lieber Jonathan,
wenn ich dich richtig verstanden habe und – was ja ganz logisch ist – das die Situation in der wir gerade jetzt leben alle Aspekte zu unserer befreienden Erkenntnis beinhaltet, dann sind alle Stufen über die wir fallen eben auch jene, über die wir uns erheben könnten. Bis hin zur Befreiung unseres Bewusstseins.
Warum aber dann die „Einfaltung“ durch falsche Entscheidungen und die Möglichkeit der Verschärfung noch „eingefalteter“ zu werden, wenn und weil wir (noch) nicht in der Lage sind unsere Realität zu durchschauen?? Der alte Mann hat gesagt:
„Wir können jedem normalen Menschen jedwede Realität vorgaukeln, insbesondere dann, wenn diese glauben, sie hätten irgendwas durchschaut.“
WER oder WAS hilft uns denn wirklich selbstlos aus diesem Labyrinth heraus? Oder müssen wir uns an den eigenen Haaren heraus ziehen?
Es ist mir klar, dass jede Erkenntnis neue Fragen aufwirft, sowie deine Erkenntnis auch wieder Bestätigung meiner Vorstellungen ist und mich dadurch in meiner Anschauung stärkt – was aber trotzdem noch kein Wahrheitsbeweis sein muss. Für uns beide nicht. Wer hat das gesagt „Es ist einfach kompliziert“ ?. Recht har er !!
Jedenfalls danke ich dir, dass du die Gabe hast, so wunderschöne Aspekte verständlich, spannend und zum Nachdenken anregend zu erzählen und auch mit uns teilst!
Peter
Jonathan
Hallo Peter,
danke für Deinen Kommentar.
Scheinbar gibt es eine ganz bestimmte Lektion – oder Lektionen – im Alltagsbewusstsein zu erlernen. Nicht zuletzt geht es auch um die Zustimmung zur Erlangung der Erkenntnis. Es muss auch einen Punkt in der Kindheit gegeben haben, an dem wir dem Fliegerwesen den Zutritt gewährt haben.
Liebe Grüße, Jonathan