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Traumnacht: Kara Penos

Traumnacht Nachtträume

Wir saßen auf einem Berg und schauten ins Tal hinab. Die Sonne stand bereits tief am Horizont und verströmte ihr rötliches Licht über das Gebirge. Irgendwie schien ich Beobachter und gleichzeitig wer anderes zu sein. Diese Spaltung in meiner Persönlichkeit war aber nicht unangenehm oder belastete mich, sondern ich war einfach nur Beobachter. Offensichtlich war ich ein Lehrer und unterhielt mich gerade mit einer Schülerin.

“Ich muss sie besiegen! Es darf nicht sein, dass ihre Machenschaften und Taten ungesühnt bleiben”, sagte sie mit spürbarer Wut in ihrer Stimme.

Sie blickte zum Horizont und ich spürte, wie sie versuchte, sich zu beruhigen.

“Chen Li”, fuhr sie fort, “hat es nicht verdient, am Leben zu bleiben.”

“Ich kann Deinen Hass gut verstehen”, entgegnete ich. “Wir geben immer Anlass, dass uns jemand liebt oder uns hasst und gleichzeitig suchen wir immer wen aus, den wir lieben oder auch hassen wollen. Jeder ist Teil des Ganzen und in Wirklichkeit gibt es den Hass nicht. Er ist eine Illusion. Ein Konstrukt, das wir in unserem Kopf erschaffen haben, meistens aus dem Grund, weil jemand anders sich nicht so verhält, wie wir es gern hätten. Hass ist purer Egoismus, nichts anderes.”

“Chen Li ist verantwortlich für ihre Taten. Daran gibt es doch keinen Zweifel!”, rief sie aus und warf ihr langes, schwarzes Haar zurück. “Ihr ganzes Volk müsste ausgelöscht werden, damit wieder Ruhe und Frieden ins Land kehrt.”

“Glaubst du denn, dass Ruhe und Frieden in unserer Welt von der Nichtexistenz Chen Li’s abhängen?”

Sie dachte über die Frage nach, die ich ihr gestellt hatte. Einige Minuten später kam ihre Antwort: “Nicht, was unsere Welt betrifft, aber unser Land. Wir sind verantwortlich für das Land und in welchem Zustand wir es für unsere kommenden Kinder zurücklassen. Unsere Nachfahren sollen in Frieden leben, denn sie sind nicht verantwortlich für die Gräueltaten, die Chen Li oder andere ihrer Art verübt haben. Von den Konsequenzen ihrer gelehrten Lebensweise einmal ganz abgesehen.”

“Du hast Recht. Sie ist verantwortlich für ihre Taten, denn sie hat sich dazu überreden lassen. Doch du darfst ihr keinen Vorwurf machen, auch solltest du sie nicht verurteilen oder gar hassen. Denn, wenn du das tust, begibst du dich auf die gleiche Ebene, auf der sie sich befindet. Glaube mir, du bist dann keinen Deut besser.”

Sie dachte über meine Worte nach, doch sie verstand nicht, was ich ihr mitteilen wollte. Sie betrachtete sich im Recht und Chen Li’s Taten waren für sie eine Rechtfertigung, ihr genau so den Tod zu wünschen, wie Chen Li sich den ihren wünschte.

“Was meint ihr damit, dass sie sich hat überreden lassen? Gibt es noch einen Anführer, der über Chen Li steht? Jemand, der ihr wiederum Befehle gibt? Wollt ihr mir mitteilen, dass wenn ich sie töte, es überhaupt nichts bringt, weil dann der nächste Schurke die Macht übernimmt?”

“Du bist mit deinen Fragen schon auf dem richtigen Weg, aber dir fehlt eine ganz wichtige Information, damit du auch verstehst, wieso es auf der ganzen Welt Bösewichte gibt und wieso immer wieder neue kommen, wenn man einen von ihnen zur Strecke bringt.”

“Bitte erzählt mir, womit es zu tun hat. Was ist das Geheimnis, das ihr vor mir verbirgt?”

“Nun gut, aber beschwere dich nicht, wenn es dich im Inneren verändern wird…”

“Ich bin bereit”, entgegnete sie.

“Es war einmal vor langer Zeit, da gab es ein Volk auf einem fernen Planeten. Niemand weiß mehr den Namen dieses Volkes oder woher es gekommen war, doch es öffnete das Tor in eine noch weiter entfernte Welt, ein anderes Universum, so könnte man sagen. Der Spalt in diese andere Welt, den sie erschaffen hatten, ließ eine fremde Macht hinein. Komm mit, ich werde sie dir zeigen.”

Im nächsten Augenblick veränderte ich die Zeit. Ich konnte sie biegen und dehnen, beschleunigen und verlangsamen, ganz wie es mir gefiel. Wenige Sekunden später hatte sich das Land um uns her verändert. Mal schien es so als befänden wir uns in einer weit zurückliegenden Vergangenheit, doch dann waren wir in der Zukunft und sahen die seltsamsten Flugobjekte am Himmel. Dann endete unsere Zeitreise und niemand kann mehr sagen, welche Zeit es war.

In der Ferne sahen wir ein Unwetter toben. Dunkle Wolken, Blitze und heftiger Donner zerrissen die Stille. Plötzlich riss der Himmel entzwei und ein silberfarbener, hellleuchtender Spalt mit einem Durchmesser von mehreren Kilometern erschien aus dem Nichts und aus ihm heraus strömten Millionen von kleinen, goldleuchtenden Objekte.

“Was sind das für Objekte?”, rief meine Schülerin gegen den Sturm an.

“Das sind die Kara Peños.”

“Was bedeutet das?”

“Das Tor, das das Volk in der anderen Welt geöffnet hat, war kein Eingang zu anderen Welten, sondern ein Ausgang. Und aus diesem Ausgang kamen die Kara Peños heraus. Das sind die kleinen Wesen, die du dort siehst. Millionen sind gekommen. Sie sind in deren Welt eingedrungen und haben das Volk übernommen.”

Im nächsten Augenblick verschwand das Unwetter mitsamt seines befremdlichen Dimensionstores und wir erblickten nun das Volk in Panik. Sie hatten sich in ihren Häusern versteckt und warteten auf das Ende des Unwetters.

“Die Kara Peños haben das Volk übernommen und ihre Harmonie und der Frieden im Land, der Jahrtausende geherrscht hatte, fand sein Ende. Die Eigenschaften der Kara Peños waren ganz andersartig, denn sie ernährten sich von Gefühlen, von niederen und aggressiven Gefühlen, die eine bestimmte Energiefrequenz besaßen. So wie Motten sich von bestimmten Lichtfrequenzen anziehen lassen, so lassen sich die Kara Peños von niederen Gefühlen anziehen und verstärken sie. Sie überredeten das Volk, sich untereinander zu hassen und zu töten. Das Volk trennte sich in zwei Lager. Sie errichteten eine große Mauer, die das gemeinsame Land trennen sollte und fortan gab es zwei Königreiche. Es entstanden Kriege, Panik, Verzweiflung, Angst, Hass, Verrat und Mord.”

“Aber wir fühlen diese Emotionen doch auch…”, stellte die Schülerin fest.

“Richtig. Wir fühlen das auch.”

“…und unser Land ist auch in zwei Hälften geteilt worden! Wir hassen uns und wir jagen uns, bis einer den Tod gefunden hat. Möchtet ihr mir sagen, dass die Kara Peños auch in unsere Welt eingedrungen sind?”

“Ja, das möchte ich sagen.”

“Aber wieso können wir die Kara Peños dann nicht sehen? Wenn ich andere Menschen anschaue, dann sehe ich sie nicht.”

“Die Augen der Menschen sind sehr begrenzt in ihrem Wahrnehmungsspektrum. Wir können sie mit unseren normalen, physischen Augen nicht sehen. Das würde viel Training erfordern, bis man sie wahrnehmen könnte. Du hast sie gerade mit mir zusammen wahrgenommen, weil du auf meine Zeitreise mitgenommen wurdest. Überließe ich dich dir selbst, würdest du sie nicht mehr sehen können.”

“Nun verstehe ich, was ihr mir sagen wollt. Ihr möchtet mir mitteilen, dass Chen Li und viele andere tausend Schurken in unserer Welt auf die verführerischen Angebote der Kara Peños hereingefallen sind?”

“Das hast du richtig erkannt. Wenn du Chen Li tötest, dann nur, weil die Kara Peños dich dazu überreden werden. Du wirst nicht du selbst sein und du bist nicht du selbst, wenn du hasst und jemandem den Tod wünschst. Du entfernst dich dann von deinem wahren Selbst”, erklärte ich ihr. “Komm mit, ich werde dir zeigen, wie du in einem anderen Leben auf Chen Li triffst…”

Dann nahm ich sie mit in die Zukunft. Wir standen dann gemeinsam in einer U-Bahn. Während meine Schülerin auf einer Bank saß und ich daneben stand und mich an einer dieser Metallstangen festhielt, spürte ich, dass meine Schülerin meine Anwesenheit teilweise schon völlig vergessen hatte. Sie wusste gar nicht mehr, dass ich sie mit in eine andere Zeit genommen hatte. Sie identifizierte sich sofort mit dem Selbst in der U-Bahn. Keine zwei Bänke weiter erblickten wir Chen Li.

“Das ist Chen Li!”, flüsterte sie. “Sie hat sich verändert. Ihre Haare sind noch immer lang, aber ihre Gesichtszüge sind ganz anders!”

Ich nickte: “Und sieh, was geschieht!”

Plötzlich strömten mehrere Kara Peños in die U-Bahn ein und klatschten gegen einige menschliche Körper, auch an denen von Chen Li und meiner Schülerin. Die Stimmung in der U-Bahn wurde spürbar anders, aggressiver, bedrohlicher. Es kamen einige grölende Jugendliche aus dem Nachbar-Waggon herein und pöbelten die Leute an.

Meine Schülerin sprang plötzlich auf und packte Chen Li an den Haaren: “Ich mach dich fertig, du Dreckstück!”, schrie sie und schon lagen die beiden auf dem Boden und prügelten, kratzten und bissen sich.

Ich nahm meine Schülerin wieder aus diesem Zeitkontext heraus und wir befanden uns wenige Augenblicke später erneut auf dem Berg.

“Das… das war das Unglaublichste, was ich je erlebt habe!”, rief sie laut aus. “Ich war in einer anderen Zeit in einem anderen Leben. Ich war… in der Zukunft!”

“Allerdings. Das hast du gut erkannt. Was ist dir noch aufgefallen?”, fragte ich.

“Ich befand mich in dem Körper einer anderen Frau, aber gleichzeitig war ich auch ich selbst. Das war ein seltsames Zwischending. Irgendwie war ich ich und auch wieder nicht. Darum glaube ich nun zu verstehen, was ihr mit mit dem Begriff wahres Selbst aussagen wolltet. Wir Menschen sind alle miteinander verbunden, in Harmonie und Frieden. Unser Feind ist niemals der Mitmensch oder unser Nachbar, sondern nur, wenn er sich von den Kara Peños verführen lässt.”

“Du siehst, wieso ich anfangs sagte, dass auch Chen Li sich nur überreden ließ, ihre Missetaten zu verüben. Wenn sie so ist, dann ist sie nicht sie selbst, sondern eine Abspaltung ihrer selbst, eine Art Schattenselbst. Wenn du sie hasst und sie für ihre Taten töten willst, dann nicht, weil Chen Li solche Taten begangen hat, sondern weil du dich von den Kara Peños hast verführen lassen. Wenn die Menschen erkennen würden, dass die Kara Peños existieren, dann gäbe es keine Kriege, kein Töten und keinen Rassenhass mehr. All das würde sein Ende finden! Die ganze Menschheit könnte wieder vereint sein, so, wie es vor Jahrtausenden gewesen ist.”

Sie schaute wieder ins Tal hinab. Das, was sie in der letzten Stunde erkannt hatte, veränderte ihr Leben.

“Wisst ihr, mich wundert, wieso es diese Parallelen gibt. Auf diesem anderen Planeten überredeten die Kara Peños das Volk, diese Mauer zu bauen. Wir Menschen haben auch schon viele Mauern gebaut, um uns von den anderen abzugrenzen oder das Land zu teilen. Burgen besitzen diese Mauern auch, wenn auch in verkleinerter Form. Ganz zu schweigen von unserer chinesischen Mauer, die so gewaltig und groß ist.”

“Du siehst, du beginnst dich Dinge zu fragen, die nur die wenigsten Menschen wissen. Ich habe dir dieses Geheimnis anvertraut, weil du dich sonst in deinem Hass verloren hättest. Dein Hass ist so tief in dir, dass dein Leben und das Leben von Chen Li über viele Leben hinweg untrennbar miteinander verbunden sind. Ihr begegnet euch immer wieder in immer neuen Zeiten und Welten, in denen die Kara Peños ihren Einfluss geltend gemacht haben.”

In diesem Augenblick verstand sie die Tragweite ihres Hasses und ihren Wunsch, Chen Li zu töten und sämtliche Schurken, die sich ihr angeschlossen hatten.

“Haben die Kara Peños auf alle Welten Einfluss und auf alle Lebewesen?”, fragte sie sich laut.

“Nein, in den spirituellen Welten haben sie keinen Einfluss. Dorthin kommen die Kara Peños nicht, weil es dort kein Futter für sie gibt. Sie fallen dann von dir ab wie Blutegel, die du mit einer Fackel berührst. Das wissen die Wesen, die auf den spirituellen Ebenen leben sehr genau. Sie kennen natürlich die Kara Peños und nicht selten schicken sie ihre Schüler auf Planeten, auf denen sie leben, damit sie getestet werden, wie sehr sie sie selbst bleiben können. Das wahre Selbst ist ein unendlicher Schatz, den man wahren sollte und was ist besser als eine Probe für den Schüler, ob ihm dies auch ausreichend bewusst ist?”

“Ihr meint, die spirituellen Lehrer schicken ihre Schüler mit Absicht in unser… Kampfgebiet?”

“Natürlich. Sie begleiten dich oft sogar und setze dich dann ab. Sie schauen zu, wie du dein Gedächtnis verlierst und dich vergisst. Denke an die Situation in der U-Bahn. Dort hast du auch vergessen, wer du vorher noch gewesen bist und dass du eigentlich hier auf dem Berg mit mir sitzt. Du dachtest tatsächlich, dass du das Selbst in der Zukunft in dieser U-Bahn bist.”

“Das ist völlig verrückt, das alles! Ich kann es überhaupt nicht glauben, was ich erlebt habe und doch habe ich es mit eigenen Augen gesehen!”, sagte sie und schüttelte immer wieder mit dem Kopf.

“Die Wiedervereinigung der Menschheit kann nur geschehen, in dem sie erkennt, dass es keine Trennungen gibt und dass ihr Hass und ihr Wunsch nach Krieg nur auf Illusionen basieren, auf leeren Versprechungen, die ihnen auf mysteriöse Art in Form von Gedanken in den Kopf kommen…”

Langsam erwachte ich aus diesem sehr langen Traum. Ich schaute auf die Uhr. Es war 7:39 Uhr. Nachdem ich geduscht hatte, setzte ich mich gleich an meinen PC und googelte nach dem Begriff Kara Penos. Ich war noch nicht einmal sicher, ob ich den Begriff korrekt aus dem Traum in den Alltag gerettet hatte, aber ich hoffte, etwas zu finden. Dabei setze ich die beiden Wörter Kara Penos in Anführungsstriche, damit Google auch nur diese beiden Worte in Kombination darstellt und sucht. Das Ergebnis war nur eine einzige Webseite! Eigentlich hatte ich geglaubt, überhaupt kein Ergebnis zu finden. Also klickte ich auf die Webseite und dort sah ich die Worte Kara Penos sofort. Sie waren Teil eines längeren Textes! DOch ich konnte kein Wort von diesem Text lesen. Es handelte sich um eine andere Sprache. War es chinesisch, so wie in meinem Traum ich vermutlich in China gewesen war? Nein! Oder russisch? Nein, das war es auch nicht.

Ich scrollte weiter durch den Text und weiter unten entdeckte ich mir sehr vertraute Symbole. Es waren Symbole aus dem Voynich-Manuskript! Jemand hatte den Glyphen aus dem Voynich-Manuskript lateinische Buchstaben zugeordnet und dann versucht, damit den Text zwar nicht zu übersetzen, aber vermutlich klarzustellen, dass es sich bei dem Manuskript nicht um einen Code handelt, sondern um eine Sprache. Eine Sprache, die niemand von uns kennt. Würde das etwa bedeuten, dass das Voynich-Manuskript die Geschichte von den Kara Peños ebenfalls beschreibt? Es sieht ganz danach aus!

Welch ein seltsamer “Zufall” es doch ist, dass ein geträumter Begriff bei Google nur ein Ergebnis zur Folge hat und dass es sich dabei gerade um das Voynich-Manuskript handelt. Ein Werk, das bisher von niemandem übersetzt oder entziffert werden konnte, weil sich niemand mehr an diese Sprache erinnert, die darin verwendet wird.

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