Site icon DER MATRIXBLOGGER

Ein Haus im Osten: Die Angeberkarre (Teil 5)

träumen-pirschen-castaneda-geschichten

‘Ein Haus im Osten’ ist eine Rubrik, in der ich von meinem kürzlichen Umzug nach Ostdeutschland irgendwo in der Pampa, zwischen Leipzig und Zeitz jenseits der Zivilisation, vom Landleben, meinen Erlebnissen in der Umgebung sowie von seltsamen, magischen und spannenden Erfahrungen berichte.

Für den Umzug hinaus auf’s Land war es erst einmal wichtig, für etwaige Großeinkäufe, mich vorerst von meinem Motorrad zu trennen und mir ein Auto zuzulegen. Ich bin eigentlich viel lieber auf zwei Rädern denn auf Vieren, aber das Autofahren habe ich nun ganz neu für mich entdeckt. Es macht mir überraschenderweise mehr Spaß, vor allem wenn Fear Factory’s Song “Cars” aus den Boxen hämmert, als ich erwartet hatte. Zuerst hatte ich mir einen Toyota GT86 ausgeliehen, damit ich schon mal ein paar Besorgungen erledigen und in die entlegensten Winkel von Albstadt fahren konnte, um einen Workshop zu geben.

Eigentlich war es bewusst gar nicht beabsichtigt gewesen, einen GT86 zu mieten, ein normaler VW Golf hätte mir völlig gereicht, aber dieser war bereits verliehen. Der freundliche Herr des hiesigen Verleihdienstes meinte dann zu mir, ich solle doch ersatzweise den GT86 nehmen, der dann gleich locker drei Klassen darüber lag. Eine richtige Angeberkarre, sehr breit (man muss damit zuweilen richtig zielen, um in der Spur zu bleiben), tiefergelegt, höchster Luxus in den Armaturen, satte 250 PS, sprich ein japanischer Sportwagen der Extraklasse, für den man nicht einmal mehr einen Zündschlüssel benötigt – was mich zugegebenerweise anfangs ein wenig irritiert hatte. Per Knopfdruck wirft sich die Karre an und schon kann es losgehen. Eigentlich kann man mit solch einem Schlitten nicht 50 fahren, sondern, da es sich um einen Automatik handelte, entweder Schrittgeschwindigkeit oder direkt danach gleich 57 km/h, sobald man das Gaspedal nur ganz leicht betätigt. In 30er-Zonen ist dieses Gefährt sicherlich völlig fehl am Platze, aber ich muss zugeben, es hat mir viel Spaß gemacht, damit durch die Gegend zu rasen.

Mittlerweile habe ich den rasanten Flitzer wieder abgegeben und endgültig mehr auf Retro-Feeling gesetzt, d.h. mir einen pechschwarzen PT Cruiser zugelegt, der nicht nur optimal für größere Touren konzipiert ist, sondern auch in seiner speziellen Ansicht nahezu wie ein englisches Taxi oder für manche Spotter wohl eher wie ein Leichenwagen wirkt. Das Aussehen dieses Wagens kann polarisieren, manche finden ihn hässlich, andere ausgesprochen schön und fernab des einheitlichen Einheitsbrei-Designs. Harald & Maud oder gar mein letztes Leben im nahen London lassen vermutlich grüßen…

Nun ja, lange Rede kurzer Sinn. Seit gestern sitze ich in meinem Haus und schaue von innen nach draußen hinaus. Innen ist es noch sehr chaotisch und alle Räume müssen definitiv renoviert werden. Am schlimmsten sieht die Küche aus, in welcher ich gerade mehr oder weniger gemütlich am Laptop sitze, die den schlichten Eindruck erweckt, als hätte man darin eine Kaffeeschlacht veranstaltet. Gewellte Tapeten mit braunen Flecken, ein hässlicher PVC-Fußbodenbelag, der den 70er entsprungen zu sein scheint und unnachgiebig den Augen schmerzt, aber dafür bereits einen wunderschönen Ausblick nach draußen auf einen Hügel mit Wald bietet. Hier muss also etwas getan werden… Die anderen Räume benötigen und begnügen sich vermutlich schon mit einem neuen Anstrich und einem neuen Bodenbelag, sei es Teppich oder Laminat.

Es ist dermaßen still hier, dass man einen Marienkäfer an der Wand atmen hört. Diese Tierchen schauen hier ebenso gern mal vorbei wie diverse Nachtfalter oder das eine oder andere Ungeziefer im Blutrausch. Der Keller ist eher für die Damenwelt eine kleine Geisterbahn aufgrund der vielen Spinnen, die ich dort erblicken durfte, aber sie sind brav und ich habe keine giftige entdecken können. Man sagt ja, dass Spinnen im Haus auch für trockene Wände und Böden stünden.

Den großen Garten habe ich natürlich auch schon inspiziert und dieser dürfte ebenso tüchtig renoviert werden müssen. Denn nicht nur stehen hier hässliche Wäschestangen herum, sondern auch ein dermaßen heruntergekommener Schuppen, dass dahingehend einiges getan werden sollte – Kinder jedoch hätten hier einen richtigen kleinen Abenteuerspielplatz aufgetan.

Mein Arbeitszimmer wird vermutlich erst am Sonntag fertig sein, damit ich meinen Haupt-PC wieder anschließen kann. Gegenwärtig sitze ich darum noch in einer zwar hässlichen, aber glücklicherweise schon warmen Küche an einem Netbook mit ziemlich kleinen Tasten. Ein äußerst herbstlich anmutender Waldspaziergang war heute bereits möglich und die Gegend ist wirklich hübsch. Die Einkaufsfahrt in die nächstgelegene Stadt entpuppte sich als s-kurvenförmige Rennfahrt, die mir zeitweise den Eindruck vermittelte, als befände ich mich in Neuseeland auf dem Weg in eine allzu ferne Stadt mit Einkaufsmöglichkeiten verschiedenster Art. Weite Landstraßen, auf denen einem nur selten andere Autos entgegenkommen, bezaubernde Ausblicke nach links und rechts auf Landflächen, kleinere Berge mit buntesten Waldkronen. Auch sind die Bewohner hier in den umliegenden Dörfern ziemlich witzig, denn ständig begegnen einem Dorfnamen, die ein “witz” am Ende besitzen. Ebenso gelangt man gern mal in Waldalleen, wenn man diese Straßen entlangbrettert – anders kann man dies nicht bezeichnen, da die Straßen doch etwas reparaturbedürftig wirken, die den Anschein erwecken, als würde im nächsten Moment eine Elfe oder Kobold vor den Kühlergrill hüpfen oder sich ein stolzer Hirsch auf dem Weg in Szene setzen. Ich denke, auf diesem Weg, den ich in Zukunft vermutlich häufiger zu bewältigen habe, werde ich gewiss noch die eine oder andere seltsame Überraschung erleben..

Exit mobile version