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Die andere Seite: Der Zauber

Reise zum Selbst - Die andere Seite

“Setzen Sie sich hier…”, sagte der Mann in einem leicht gebrochenen Deutsch zu mir.

Ich setzte mich auf einen der vier Küchenstühle, die um einen alten Holztisch herumstanden. Der Mann stand an der Anrichte und schenkte uns einen Kaffee ein.

“Wir wohnen hier in diesem Haus schon eine Ewigkeit, also meine Frau, meine Tochter und ich. Ist nicht ganz nah bei der Stadt, aber wir sind sehr gern hier.”

In meinem Kopf übersetzte ich seine Worte in ein besseres Deutsch. Er lebte hier schon eine Ewigkeit, wie er auch bestätigte, aber er sprach in seinen eigenen vier Wänden mit seiner Familie noch zu häufig seine Muttersprache.

“Meine Frau ist immer sehr krank. Ich kann das nicht ändern. Sie hat uns alle in der Zange mit ihren Zickereien. Wir sind machtlos. Meine Tochter muss vieles für uns tun und wir wissen, wie wir sie umsorgen können. Sie soll irgendwann alles bekommen und hat dafür auch vieles zu tun… sie wissen ja, wie Kinder sind… Sie beten ihre Eltern an. Sie sind Vorbilder… und wir müssen dies auch erfüllen und ihnen beweisen. Die Welt verlangt es von uns.”

Während ich seinen Worten zuhörte, veränderte sich meine Wahrnehmung plötzlich schrittweise und ich konnte zwischen den Sätzen ganz andere Sätze entdecken. Es ist wie das ‘zwischen den Zeilen lesen’, wenn man ein Buch liest. In diesem Augenblick konnte ich also ‘zwischen den Worten hören…’ Eigentlich sagte er:

“Jedes Kind befindet sich in einem veränderten Bewusstseinszustand, wenn es noch nicht die Pubertät erreicht hat. In diesem Zustand sind Kinder hochgradig beeinflussbar. Dies ist der Zauber, den wir uns zu Eigen gemacht haben. Unsere Tochter erliegt noch immer diesem Zauber. Wir sind einige der wenigen, die es schafften, dass dieser Zustand die Pubertät überdauerte. Wir haben die Magie…”

Ich erschrak für einen kurzen Moment. Es war verblüffend, eben ausgesprochene Worte aus zwei unterschiedlichen Perspektiven zu vernehmen. Was sollte mir hier gezeigt werden? Zwei Perspektiven, zwei Interpretationsmöglichkeiten… Eine sanfte Seite, die glaubte, was man ihr sagte und eine, die eben das Gegenteil tat. Zwei Facetten eines gigantischen Facettenauges, von dem wir nur wenige Prozente wahrnehmen… Doch wir haben nicht den Überblick, wir erkennen nur die Pole, aber nicht die dritte Perspektive, die diese beiden völlig unterschiedlichen Sichtweisen miteinander vereint… Wir pendeln nur hin und her…

Langsam glitt ich in meinen Körper zurück. Ich konnte mich nicht bewegen. Ich hatte zu früh in meinem physischen Körper gewechselt und dieser befand sich noch in der Schlafstarre.

So lag ich nun dort, bewegungslos… Selbst meine Augen konnte ich nicht öffnen… Doch ich hörte ein Geräusch. Ein sehr lautes Tosen… Ein Wasserfall! Ich aktivierte meinen inneren Seh-Sinn und blickte nach rechts. Ich “sah” einen Fluss, der rechts neben meinem Bett entlang floss und auf einen Wasserfall zuströmte. Ich spürte sogar den Wind, wie er mir durch das Haar ging und damit spielte. Die frische Brise und ich glaubte sogar, Feuchtigkeit zu fühlen, Wassertropfen, die meine Wangen benetzten…

Meine Realität war noch immer gespalten. Während ich weiterhin brav in meinem Bett lag und auf das Ende der Körperstarre wartete, befand sich nur wenige Meter entfernt eine andere Realität…

Langsam verschwanden der Fluss, der Wasserfall und der Wind und ich konnte nun die Augen öffnen. Zurück blieb nur noch mein Schlafzimmer.

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