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Traumnacht: Der Spielplatz für Träumer

Traumnacht Nachtträume

“Sie können sich gern hier hinsetzen und sich das Gerät einmal anschauen…”, sagte die nette Frau höflich.

Ich schaute auf das alte Notebook, dessen Festplatte ich schon auf Anhieb wie wahnsinnig rödeln hörte. Das Lämpchen flackerte kaum noch, obwohl das Gerät als komplett hochgefahren galt.

“Ich ziehe mich dann ein wenig zurück. Rufen Sie mich einfach, wenn Sie fertig sind”, fügte sie hinzu und drehte sich um.

Sie ging dann zu ihren Kindern, die in einiger Entfernung auf einer Sofalandschaft herumsaßen und Fernsehen schauten oder sich mit irgendwas anderem beschäftigten. Sie waren höchstwahrscheinlich indischer Herkunft, wenn ich mir ihren Teint so anschaute, wunderschön und anmutig zugleich.

Das Wohnzimmer empfand ich als sehr groß. Die vielen Sofas, der Esstisch, an dem ich gerade saß, war einige Meter davon entfernt. Weiter rechts sah ich, dass es noch mehr Platz gab und hinter mir ebenfalls. Irgendwie empfand ich das Wohnzimmer im Ganzen als viel zu groß, als dass es irgendwie normal sein konnte. Als ich dann nach links schaute, ging es noch zehn Meter weiter, bis überhaupt die Fenster sichtbar wurden.

Während ich darüber nachdachte, kamen dann zwei Frauen herein. Vielleicht um die zwanzig Jahre alt. Eine schaute mich ganz interessiert an. Sie hatte halblanges, schwarzes, leicht gewelltes Haar, war sehr schlank mit einem knappen, lila T-Shirt und ausgewaschener Jeans bekleidet und lächelte mich an. Ich grüßte sie höflich. Ich schaute mich wieder um und erkannte dann, in welcher Situation ich mich befand! Ich träumte! Das erklärte mir nun auch dieses überdimensionale Wohnzimmer. Ich stand dann auf und ging ein wenig durch die Wohnung. Außerhalb des Wohnzimmers gelangte ich in einen riesigen Flur, der wiederum in andere Räume führte, die mit indischen Tüchern verhangen waren und in denen Kinder spielten oder manchmal auch Erwachsene herumliefen.

“Es ist ganz schön groß hier, oder?”, hörte ich eine Stimme sagen.

Ich drehte mich zur Seite und erkannte die hübsche Inderin von vorhin.

“Ja, das ist richtig”, entgegnete ich. “Es ist verdammt groß hier! Was ist das denn hier überhaupt?”

“Das ist eine Einrichtung für Kinder und Jugendliche. Wir helfen hier aus.”

Okay, dachte ich mir im Stillen, das mag ja sein, aber trotzdem ist es hier verdammt großzügig geschnitten. Wir unterhielten uns dann noch eine Weile, aber wenn man sich schon in einem luziden Traum befindet, kann man sich auch ein wenig amüsieren. Kurz darauf hatten wir es uns auf einer Couch gemütlich gemacht und küssten uns. Die Leidenschaft kochte und ich lief schon Gefahr, dass sich meine Luzidität in Luft auflösen würde. Sex ist immer so eine Sache im Träumen, da muss man vorsichtig sein. Schnell ist das Bewusstsein über seinen eigenen Zustand plötzlich verschwunden und der luzide Traum verwandelt sich in einen gewöhnlichen Trübtraum, so wie ihn jeder Mensch nachtnächtlich träumt oder gar nicht erinnert. Trotzdem blieb ich klar und genoss das nette Amüsement, während ich auf einem großen Sessel saß und sie auf mir.

Dann erwachte ich in meinem Bett. Ich konzentrierte mich wieder und sprang nach ungefähr einer Minute erneut in diese Szene hinein. Mit der Konzentration auf die letzten Sekunden oder Minuten des Traumes kann man sich schnell wieder an den Ort wünschen, an dem man sich eben noch befunden hatte. Wir unterhielten uns noch eine Weile, nachdem sie mir eine Narbe gezeigt hatte, die sie unter ihrem T-Shirt verborgen hielt. Sie erklärte mir, dass es einen Brand gegben hätte und sie sich auf der Flucht diese Narbe zugezogen hätte. Wir unterhielten uns noch einige Zeit und sie führte mich auch in dem Haus noch herum. Einige Minuten später erwachte ich abermals.

Dieses Mal wollte ich nicht wieder in diesen Traum springen und überließ es mal wieder meinem Unbewussten, wo es hinging. Nach einer Minute sprang ich in einen unglaublichen High-Level-Klartraum hinein, der mir den Atem raubte. Ich lief gerade durch einige Arkaden einer verlassenen Schule. Rechts von mir sah ich einen großen Platz, vermutlich war dies einst der Schulhof gewesen. Alles wirkte so stillgelegt, als würde es nicht mehr benutzt werden. Ich fühlte den Boden unter den Füßen, jeden einzelnen Schritt. Ich spürte einen leichten Wind, der durch mein Haar fuhr und als ich meine Arme ausstreckte und meine Hände die Säulen der Arkaden berührte, fühlte ich deutlich eine klebrige Stelle an einer der Säulen. Ich war von dieser unvorhergesehenen und spontanen Detailgenauigkeit mal wieder richtig ergriffen. Diese winzigen Details, die es in einem solchen Traum zu fühlen gab, waren stets erstaunlich.

Ich gelangte dann zu einem Tor. Dieses Tor war ziemlich alt und wirkte fast wie eins, das man auf uralten Friedhöfen als Eingangstor finden kann. Es besaß ein großes, altes Schild, das dort angebracht war: “Betreten auf eigene Gefahr”. Ich öffnete das Tor und ging hinein. Vor mir eröffnete sich ein riesig großer Platz. Er war einfach in seiner Größe nicht zu überschauen, da unwahrscheinlich viele Gegenstände dort herumstanden. Alte Autos, Ruinen, riesige Röhren, durch die man hindurchrennen konnte, einige Bäume mit Baumhäusern und der ganze Platz war überwiegend mit Sand ausgelegt. Ich kam mir vor, wie auf dem größten Spielplatz der Welt!

Dann lief ich über Äste, Metallrohre, Steinrohre, kletterte hinüber und machte gewaltige Sprünge über Autos und übte mich mal wieder ungefähr zehn Minuten lang in Psychokinese. Es war sehr erstaunlich. Ich brauchte mittlerweile nur eine Sekunde lang meine Hand in die Richtung eines Gegenstandes ausstrecken und schon bewegte sich der Gegenstand sofort! Mir fiel dabei jedoch auf, dass ich leider keine Gegenstände von mir fortbewegen konnte, sondern nur an mich heranziehen. Ich dachte dann, oh, ich bin bisher nur ein Puller und noch kein Pusher und erfreute mich dennoch an dieser spannenden Fähigkeit. Ich hoffe, mit diesen Übungen irgendwann diese Fähigkeit in meine DNA einschreiben oder eben die Fähigkeit ganz einfach in meine Alltagsrealität mitnehmen zu können. Irgendwann würde ich es schaffen, so dachte ich zuversichtlich darüber nach.

Nach meinen Übungen kletterte ich weiter, bis ich dann Babygeschrei vernahm. Ich schaute mich nach allen Seiten um und erblickte dann ein Baby, das gerade über ein Autodach gekrabbelt kam. Ich ging zu ihm hin. Dabei war mir bewusst, dass man mit Babys in einem Traum ganz normal reden kann, wenn man sie einfach so anspricht als seien sie Erwachsene.

“Hi, was machst du denn hier? Und wo bin ich hier überhaupt? So einen Platz habe ich hier noch nie gesehen!”, fragte ich.

“Emememem brrrröööö.”

Okay, dachte ich, ich muss ihm noch ein wenig Zeit geben, bis es meine Sprachmuster begriffen hat, dachte ich und sprach weiter: “Also, das alles wirkt wie ein gigantischer Spielplatz. Was soll das? War das schon immer so?”

“Bogogogo. Jaha.”

Ah, dachte ich, es geht voran mit unser Kommunikation.

“Also ist das ein Spielplatz?”, fragte ich noch einmal.

“Ja, Spielplatz. Jeder kann spielen kommen!”

“Und wo kommt der her?”

Das Baby schaute mich sabbernd an und meinte dann breit lächelnd und voller Begeisterung: “Hat ein Träumer gemacht. Alles von ihm. Wer kommt kann spielen, wie und was er will!”

Das fand ich sehr interessant. Ein Träumer hatte diesen Spielplatz erschaffen und ihn zur freien Verfügung gestellt. Vielleicht für jüngere Träumer, dachte ich mir. Gewiss würde es vielen Kindern und Teenagern Spaß machen, hier zu spielen, vor allem bei dieser enormen Klarheit, die man hier erfahren kann. Aber wo sind denn die ganzen spielenden Träumer hin? Das fragte ich dann das Baby wieder.

“Keine Träumer da! Alle weg. Gibt nur noch wenige Träumer.”

Ich nickte und verstand: “Und was machst du hier? Bist du ein bewusster Träumer?”

“Babbelbabbel. Ja. Bewusst! Ich komm als bewusster Träumer auf die Welt. Ich hier oft spielen.”

Unser kleiner Yoda, so nannte ich ihn scherzeshalber, weil er genau so sprach, krabbelte dann mit einem wahnsinnigen Enthusiasmus auf dem Autodach hin und her, auf dem er sich noch immer befand.

“Klasse. Dann wünsche ich dir viel Spaß in dieser Welt. Ich werde dann mal weiterziehen”, meinte ich und verabschiedete mich.

Das Baby kam dann aber einfach hinter mir her gekrabbelt. Es schien mich wohl ganz sympathisch zu finden. Ich winkte dann noch mal zum Abschied, machte einen gewaltigen Sprung in die Luft und landete ca. 500 Meter weiter wieder auf dem Platz. Dann lief ich noch eine Weile weiter und erfreute mich an dieser unfassbaren Klarheit in diesem Traum. Ich fragte mich kurz, ob es an meiner Fähigkeit lag, diese Klarheit zu bewerkstelligen oder ob es an diesem Spielplatz lag. Dann blieb ich stehen. Vor mir sah ich eine alte Mauer, vielleicht zwei Meter hoch, teilweise mit Efeu behangen und anthrazitfarben. Weiter rechts erkannte ich dann wieder ein altes Schild, auf dem stand: “Hier beginnt wieder die Traumwelt, von der dieser Spielplatz ein Teil ist. Bitte Vorsicht!”

Intuitiv verstand ich diese Botschaft so, dass der bestimmte Träumer, der diesen Spielplatz erschaffen hatte, diesen in einer Traumwelt erschuf. Auf einem solchen Spielplatz konnte man sich richtig austoben. Trainieren, spielen, kaputtmachen, zerstören, wieder aufbauen, was immer man wollte, ohne die Bewohner dieser Traumwelt irgendwie zu Schaden kommen zu lassen. Wirklich ein Spielplatz für Träumer!

Dann erwachte ich wieder in meinem Bett. Ich dachte noch einmal über diesen Spielplatz nach und sprang dann in den nächsten Traum hinein. Direkt und bewusst. Gespannt, ob dieser wieder so immens klar sein würde, wie der vorherige…

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